PROF. JOHANNES KISTER

"Keramik kann eben viel: Das gemeinsam Bauen als identitätsstiftender Moment dort, wo mit einfachen und sparsamen Mitteln etwas geschaffen werden soll; und gleichzeitig kann der handwerkliche Prozess eine neue ästhetische Lust befriedigen, die genauso zum Bauen gehört wie die simple Notdurft eines Dachs über dem Kopf."

Fraunhofer Bayreuth NBK Terracotta
Fraunhofer Institut, Bayreuth

Als Semesterferien noch Semesterferien waren, also eine Zeit ohne Hochschule fern der Hochschule, war es jahrelang für mich ein Bedürfnis, mit dem Ton, aus dem Steinzeugrohre gefertigt werden, architektonische Fantasien zu formen. Mit den Händen die Scheiben zu Skulpturen zu entwickeln. Ja, entwickeln, weil sie vorher nicht festgelegt waren, sondern sich im Bauen verfestigt haben. Ich habe es mir erlaubt, den Bauplan im Aufbau der Skulptur zu variieren, zu erweitern, fragment zu lassen oder in eine andere Richtung zu treiben. Es war außerdem so, dass die Fragilität
des Materials zu Pausen gezwungen hat. Ein Bauprozess im Kleinen. Das hat mit dem Material zu tun. Ziegel sind Bausteine, welche den Prozess des Bauens am reinsten verkörpern. Ich bin überzeugt, dass die sogenannte Industrialisierung des Bauens viele Momente übersehen hat, die heute wieder wichtig werden. Nachhaltigkeit und Weiterbauen ist ein Aspekt, der mit keinem anderen Material so gegeben ist wie mit keramischen Baustoffen. Lange haltbar und zu reproduzieren. Keramik ist sozusagen das Material
der Stunde. Auch auf der Biennale 2016 war kein Werkstoff so prägnant
wie gebrannte Erde. Wobei es nicht nur um neue Werkstoffe oder neue Formteile ging, sondern vor allem um die Wiederverwertbarkeit einerseits als auch die Handwerklichkeit andererseits. Gleich im ersten Raum waren Dächer aus geschnittenen Keramikresten mit Originalmodellen ausgestellt, die in Beton verlegt eine ornamentale, farblich vielfältige Fläche zeigen. Die Behauptung der Dauerhaftigkeit von Keramik wurde dort bewiesen, auch wenn die Schneidetechnik dem Wiedereinbau eine besondere Ästhetik verleiht. Zu sehen waren auch Keramikmodelle, welche abgegossen neue Formelemente ergaben, die ihrerseits wiederum mit Beton ausgegossen wurden. Spannend bei diesen Prozessen ist nicht nur das Wiederverwenden,
sondern die künstlerischen Prozesse der materiellen Transformation.
Gerade der handwerkliche Einsatz, welcher die Wiederverwendung architektonisch auflädt, legt etwas offen, was große Bedeutung im Gesamtzusammenhang der Biennale gewinnt. Neben dem sozialen Aspekt, der immer über der Ausstellung liegt, vermittelten die Projekte etwas explizit Architektonisches, das so nicht erwartbar war und eigentlich erst in der Gesamtschau sichtbar wurde. Dabei ging es nicht nur um die Botschaft, sozial engagiert zu bauen, die Öffentlichkeit in den Projekten zuzulassen, sondern
um die handwerkliche Teilhabe von vielen am Bauprozess. Das insgemein Beglückende, das Bauen als handwerklicher Prozess ausstrahlen kann, weil es die menschliche Teilhabe an der Gestaltung der Welt so sinnfällig verkörpert wie nichts anderes, lässt deutlich werden, woran es so oft fehlt oder speziell unseren industriellen Ländern fehlt. Neben der Industrie 4.0 sehnt sich der Mensch nach Greifbarem, nach sinnlicher handwerklicher Transformation und dem Bauen der Welt. Das zeigten in Venedig die ausgestellten Ateliertische mit den Rechercheergebnissen und Experimenten.

Der Computer ist dabei Hilfsmittel – aber nicht mehr. Aus diesem Verständnis der Exponate wurde mir bewusst, dass wie von selbst Keramik, Ton, Ziegel in allen Formen und Verarbeitungstechniken im Zentrum des Diskurses stehen.

Keramik kann eben viel: Das gemeinsam Bauen als identitätsstiftender Moment dort, wo mit einfachen und sparsamen Mitteln etwas geschaffen werden soll; und gleichzeitig kann der handwerkliche Prozess eine neue ästhetische Lust befriedigen, die genauso zum Bauen gehört wie die simple Notdurft eines Dachs über dem Kopf. Auch wenn es sich anfangs nur um Fantasien von Semesterferienwochen handelte!

Prof. Johannes Kister

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